Sie begann vorsichtig das Haus wieder zu entdecken. Die autobiografische Komponente stellte eine große innere Motivation dar.
2023 soll das Hochhaus Waagestraße abgerissen werden, weil es drei Meter über die Stadtachse steht oder weil es als städtebaulicher Misstand zählt.
Die Friedenstauben unten an den Eingangstüren interessieren niemanden mehr. Rika Wenigers Reflexionen wurden durch den Ort und seine Menschen komplizierter. Ihr wurde klar, dass sie nicht da war, um eine Lösung zu finden und nicht einmal eine Wahrheit, die man in Stein meißeln könnte. Sie bemerkt, den Wert dieser Begegnungen an sich. Außerdem beginnt sie die Wohnung mit kleinen Miniinstallationen zu gestalten. Sie klebt die Umrisse der früheren Möbel aus Kinderzeiten ab. Man bekommt dadurch einen Eindruck der kleinen Räumlichkeiten.
Rika Weniger schreibt unterschiedliche Aushänge, um die Bewohnern des Hauses neugierig zu machen. Häufiger kommt es zu Begegnungen. Immer wieder überlegt sich Rika neue Mini-Kunstinterventionen. Sie liest den Bewohnern zum Beispiel ihre entstandenen Texte vor. Bittet darum, ihr Fotos und Gegenstände zu bringen, die etwas über eine konkrete Erinnerung erzählen. Sie stellt Fotos aus und beginnt zu erzählen. Fotos werden zum Setting und es ergibt sich ein Zusammenspiel. Manchmal passiert auch nichts, woraus dann die teilweise schönsten Ideen entstanden sind.
Rika Weniger versucht bewußt mit dem umzugehen, was passiert oder nicht passiert. Um in eine Theatralität zu kommen, überidentifiziert sich Rika mit diesem Haus und seinen Bewohnern. Dabei wird alles Material, was ihr begegnet. Sobald sie alleine ist, geht sie entweder in eine schriftliche Textarbeit, indem sie bis zu zwei Stunden ohne große Reflektion und Pause alles niederschreibt. Oder sie fängt an zu spielen, sprechen und monologisieren. Es ergeben sich durch diese Form viele Überraschungsmomente und neue Spannungsfelder.
Dieser Residenzort wurde Protagonist. Oder seine Bewohner. Rika Weniger ließ ihre Residenz zunehmend davon bestimmen.
Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR
Mit freundlicher Unterstützung der Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft mbH – NEUWOGES